New Audience Symposium #2: Musik hinter Gefängnismauern
Am 11. September 2025 fand das zweite digitale New Audience Symposium statt. Neben Projektpartnern, Forschenden und Musethica-Mitarbeitenden nahmen diesmal auch vier Vertreter*innen aus Justizvollzugsanstalten in Österreich, Frankreich, Spanien und Deutschland teil. Ihre Perspektiven verliehen der Veranstaltung besondere Tiefe: Sie zeigten, welche Rolle Musik an Orten spielen kann, die von Kontrolle, Routinen und klaren Hierarchien bestimmt sind.
Der Aspekt Freiheit inmitten von Gefangenschaft stand im Mittelpunkt der Gesprächsrunde. Auch wenn äußere Freiheiten fehlen, eröffnet Musik innere Räume – Momente des Durchatmens, des Nachdenkens, des Menschseins. Besonders eindrücklich war die Geschichte eines Inhaftierten in Bourg-en-Bresse: Nach einem Konzert durfte er einen Brief an den lokalen Musethica-Koordinator schreiben. Für ihn waren sowohl das Konzert als auch der Briefaustausch im Nachgang Momente, in dem er die Mauern seines Alltags symbolisch hinter sich ließ.
Musik als Brückenbauerin
Im Gefängnis sind Beziehungen meist von Regeln und Distanz bestimmt. Bei einem Musethica-Konzert begegnen sich jedoch Inhaftierte, Mitarbeitende und Musiker*innen auf Augenhöhe. Gemeinsam zuhören, Gefühle teilen und miteinander ins Gespräch kommen – das schafft Verbindungen, die über den Konzertmoment hinauswirken. In solchen Augenblicken werden die Gefangenen nicht nur als „Insassen“ wahrgenommen, sondern als Menschen mit Geschichten, Gefühlen und Würde. Es entsteht ein Gefühl der Wertschätzung und des gegenseitigen Respekts.
Alle Teilnehmenden betonten, dass sich auch die Atmosphäre in den Anstalten verändert. Viele berichteten von einer spürbaren Ruhe nach den Konzerten – sowohl bei den Gefangenen als auch bei den Mitarbeitenden. Für kurze Zeit überwindet die Musik Grenzen und bringt Menschen zusammen, die sich sonst nur selten begegnen.
Die Organisation solcher Konzerte in Justizvollzugsanstalten ist allerdings alles andere als einfach. Bewegungen im Gefängnis müssen streng kontrolliert werden, Teilnehmende sorgfältig ausgewählt, Genehmigungen dauern oft Monate – und selbst dann sind kurzfristige Änderungen oder Absagen keine Seltenheit. Trotzdem waren sich alle einig: Der Aufwand lohnt sich. Sobald die Musik erklingt, tritt alles andere in den Hintergrund.
Das Symposium machte deutlich: Musethicas Konzerte in Gefängnissen sind weit mehr als ein kulturelles Angebot. Sie eröffnen Einblicke in das Leben hinter Mauern, zeigen Musik als Brücke zu Empathie und Kommunikation und erinnern daran, wie wichtig Räume sind, in denen Menschen jenseits ihrer Rollen wahrgenommen werden.
Nächster Termin:
Das dritte New Audience Symposium findet am 18. September von 17:30 bis 19:00 Uhr online via Zoom statt.
Das Thema: Die psychiatrische Klinik als Konzertsaal
Anmeldung unter: registrierung@musethica.org
Die Veranstaltungsreihe ist Teil des Projekts ‘1000+ Concerts: Innovating Higher Music Education Through Social Inclusion’.